„Es gibt harmloses Wissen und es gibt gefährliches Wissen. Aber es gibt noch gefährlichere Zweifel.“
Lust auf ein Gedankenspiel? Was wäre, wenn wir wüssten, wie lange wir leben? Nobelpreisträger Elias Canetti hat das Spielbrett und die Spielfiguren dazu geschaffen. Und das Publikum kann im Theater gedanklich „mitspielen“. In teils witzigen, teils absurden Alltagsszenerien wird Canettis Frage amüsant bis wehmütig illustriert.
„Die Befristeten“, geschrieben in den 1950er Jahren, war Canettis Statement gegen den Tod, den er zu seinem Erzfeind erklärt hatte. In dieser fiktiven Gesellschaft erhält jeder bei seiner Geburt eine Zahl als Namen: 10, 33, 46, 93... Diese Zahl ist gleichzeitig sein Lebensalter. Davor kann er nicht umkommen, an diesem Jahrestag beendet er pünktlich sein Leben. Das geht so lange gut, bis einer kommt und diese scharf bewachten Gesetze bezweifelt. Der gestrenge Gesetzeshüter weiß sofort, dass das nicht gut ausgeht.
Und so stolpern Canettis Figuren in die Fallstricke des Lebens wie wir, deren Lebensende nicht vorherbestimmt ist. Da ist der Mann mit hoher Lebenszahl, der nur "kurzlebige" Frauen heiratet, um ein Dutzend Ehen genießen zu können. Da ist ein Junge, der andere drangsaliert, weil er ins straffähige Alter gar nicht kommen wird, da herrschen Trauer und Empörung, Eifersüchteleien und Albernheiten wie überall auf der Welt. Und jene angeblich angstfreien Menschen glauben dann doch tatsächlich, dass sie unter neuen Vorzeichen ewig leben werden...
Regie: Marieluise Müller
Bühne/Kostüme: Ruth Pulgram
Licht: Marco Oertwig/Simon Opitz
Maske: Judith Anthony
Regieassistenz: Alex Leschinsky/Bibi Bialas-Müller/Nathan Herzfeld
Abendtechnik: Tobias Langmeyer
Es spielen: Frank Ammon, Michaela Beuschel, Jürgen Fickentscher, Johannes Fleckenstein, Sylvia Lauterbach, Tina Leistner, Mathias Leitloff, Frank Müller, Pierre Soldatenko
CANETTI 2024:
NACHGESPRÄCHE nach der Vorstellung
Sonntag, 27. Oktober um 19 Uhr: „Seid ihr glücklich?“ Moderation: Prof. Dr. Gabriela Paule
Mit "Die Befristeten" von Elias Canetti bringt die Studiobühne Bayreuth eine interessante Idee auf die Bühne: Wie lebt es sich, wenn man genau weiß, wie lang man lebt? Welche Fragen bewegen die Menschen - und welche nicht? Und: wie würde ich mich selbst in einer solchen Situation sehen?
Nach dem Theaterstück besteht an diesem Abend die Möglichkeit, bei einem Nachgespräch im Theaterkeller gemeinsam in einen Austausch zum Thema Glück zu kommen: Wie sehr hängt es von einer Lebenslänge ab? Kann man Menschen zum Glück erziehen? Wie manipulierbar sind Menschen? Ist eine "zwangsbeglückte" Gesellschaft denkbar?
Samstag, 30. November um 17 Uhr:
„Wir sind dankbar.“ Moderation: Prof. Dr. Gabriela Paule
Nach dem Theaterstück besteht an diesem Abend die Möglichkeit, bei einem Nachgespräch im Theaterkeller gemeinsam in einen Austausch zum Thema Dankbarkeit zu kommen: Wie sehr hängt diese von einer Lebenslänge ab? Welche Faktoren braucht es dafür? Und was heißt überhaupt "Dankbarkeit"?
In Kooperation mit dem Evangelischen Bildungswerk Oberfranken-Mitte e.V.
Rezension von Frank Piontek vom 13. Oktober 2024 im KULTURBRIEF: HIER
Rezension von Magdalena Aderhold vom 14. Oktober 2024 in der
Bayreuther Sonntagszeitung: HIER